LARP-Grundlagen :

Charakter-Erschaffung

Oder: Ich sehe was, was du nicht siehst…

Dieser Text geht davon aus, dass Du eine grundsätzliche Vorstellung davon hast, was LARP eigentlich bedeutet. Sollte das nicht der Fall sein, solltest Du erst die entsprechenden Erläuterungen dazu lesen.

Die wichtigsten Utensilien, die man  braucht, um dem Hobby LARP nachzugehen, sind Fantasie und Humor. Wer sich selbst und seine Rolle zu ernst nimmt, verdirbt auf Dauer sich und anderen den Spaß am Spiel. Klar, jeder möchte ein Held sein, dafür macht man ja diesen Tanz mit und quält sich bei miesem Wetter durchs Unterholz oder bei Gluthitze über endlose, baumfreie Felder. ABER wer einem Frosch, der am Wegrand sitzt und quakt: „Küss mich, ich bin eine verzauberte Botschaft!“ nichts abgewinnen kann, verpasst eine ganze Menge. Auch der grimmigste Paladin sollte über sich selbst lachen können.
Ohne Fantasie wiederum wird man keinen sprechenden Frosch, sondern einen breit grinsenden Menschen mit einem Stofftier sehen, der so tut, als wäre er der Frosch.

Womit wir beim ersten Problem wären: Wen/Was soll ich spielen?

Hilfreich bei dieser Entscheidung ist immer, sich klar zu machen, wer man selbst ist und was man kann.
Neigt man eher zur Schüchternheit und ist völlig unmusikalisch sollte man vom Barden lieber die Finger lassen. Ist man eher der Klassenclown, der nicht stillsitzen kann, kommt man als asketischer Mönch nicht gut an. Auch 2-Meter-Zwerge und 90-Kilo-Elfen nimmt man nicht ernst.
Man kann halt, was man kann!
Behält man dies im Hinterkopf, kann eigentlich nichts schief gehen.

Rasse

An erster Stelle sollte die Entscheidung der Rasse stehen, da sie einen großen Einfluss auf die Fähigkeiten hat. Die folgenden Angaben sind nur die „Standard“ – Rassen. Eurer Fantasie sind natürlich auch hier keine Grenzen gesetzt. Fürs erste könnt ihr euch aber an den folgenden vier Rassen orientieren.

Es handelt sich dabei um sogenannte Stereotype, also extrem vereinfachte, verallgemeinerte Darstellungen. Natürlich gibt es immer Ausnahmen von der Regel. Allerdings sollte man dabei Bedenken, dass im LARP sehr viele Ausnahmen rumlaufen, so dass es tatsächlich ungewöhnlich sein kann, einen Regelfall zu spielen. Wenn alle Rebellen sind, ist der Musterbürger der Sonderling. Am Ende steht aber immer der Spielspaß, den man persönlich hat und den man mit anderen teilen kann im Vordergrund.

Da wären also folgende Standard – Rassen:

1.    Rasse Mensch, die alles kann
2.    die etwas arroganten Elfen
3.    kämpferische Zwerge
4.    gutmütige Halblinge

Menschen sind einfach, da sie keinerlei Einschränkungen haben.
Sie können – theoretisch – alles, was sie sich vornehmen. So wie wir halt. Man kann Menschen natürlich auch in Gruppen unterteilen, Wüstenvolk, Seefahrer, Waldbewohner usw., aber das ist eher eine Sache des individuellen Spiels, als der Rasse.

Elfen sind da schon etwas schwieriger.
Zum einen ist da die physische Einschränkung. Wie gesagt, übergewichtige Elfen kommen einfach nicht gut.
Klassische Elfen sind groß und schlank und zeichnen sich durch spitze Ohren aus. Männliche Elfen sind bartlos. Elfen können aufgrund ihrer Statur, einer gewissen Abneigung gegen Metall und der Tatsache, das sie ein magisches Volk sind keine schwere Rüstung (Platte) tragen. Magie ist ihnen angeboren und sie alle können zumindest einfache Zauber wirken. Durch ihre magische Natur sind sie auch körperlich an die Regeln der Magie gebunden und können z.B. keinen Bannkreis durchschreiten, der gegen Magie errichtet wurde, obwohl ihn beispielsweise ein Ritter ohne Probleme betreten kann.
Grob lassen Elfen sich in Wald- und Hochelfen unterteilen.
Waldelfen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Nymphen. Sie sind äußerst naturverbunden und scheu, meistens auch eher pazifistisch veranlagt. Ihre Spezialitäten sind die Jagd (egal auf was!) und Naturmagie jeder Art (Druidentum, Schamanismus, Heilmagie etc.). Sie sind große Freunde der Musik und lieben Gesang und Tanz.
Hochelfen dagegen sind sozusagen die Aristokraten unter den Elfen und vereinen alle guten aber auch schlechten Eigenschaften, die einem bei diesem Stichwort einfallen. Sie sind arrogant (vor allem Nicht – Elfen gegenüber), stolz, ehrenhaft, kämpferisch, edel usw. Auch sie sind magisch begabt, beziehen ihr Kraft jedoch eher von den Gestirnen als von der Erde selbst. Auch die Hochelfen lieben Musik und Dichtung über alles, doch man könnte sagen, wo die Waldelfen Ausdruckstanz mögen, ist bei den Hochelfen eher klassisches Ballett angesagt. Sie praktizieren eben immer alles auf höherem Niveau als andere.
Wie bei allen anderen Rassen auch, gibt es natürlich auch andere Elfenvölker wie See – Elfen, Dunkelelfen (Drow) und wer weiß, was noch alles. Die hier genannten sind nur die gängigsten.

Zwerge sind ein Fall für sich und sehr schwer zu spielen.
Da wäre erst mal die Größe. Über 1,60 ist es schwer einen überzeugenden Zwerg zu spielen. Außerdem sind die körperlichen Anforderungen höher als bei irgendeiner anderen Rasse. Zwerge ohne Bart gibt es nicht. Manche spielen auch Zwerginnen mit dichter Gesichtsbehaarung. Das Kettenhemd gehört zur Standardkleidung und wird ebenso selten abgelegt, wie die sprichwörtliche Zwergenaxt. Hiebwaffen werden eindeutig den Stichwaffen vorgezogen
Zwerge sind sprichwörtlich für ihre Zähigkeit. Sie fressen Eisen und spucken Nägel. Auch ihr Kampfeswille ist legendär. Ein Zwerg hört erst auf zu kämpfen, wenn er tot ist und auch darauf sollte man sich nicht verlassen.
Sie bleiben gerne für sich, sind eigenbrötlerisch, extrem stur und rau. Als Bewohner der Stollen und Minen ist ihr Wissen über Metalle, Mineralien und allgemein Geologie unerreicht. Das gilt auch für ihr handwerkliches Geschick. Ungeschickte Zwerge gibt es nicht. Zwergische Waren sind allein dadurch, dass sie von Zwergen gemacht sind wertvoller als alle anderen.
Ihre Freundschaft ist nicht leicht zu gewinnen, hält aber vielleicht gerade deshalb ein Leben lang. Treuere Verbündete findet man kaum, was nicht zuletzt an ihrer langen Lebensspanne liegt. Wie gesagt, eine harte Nuss zu spielen.

Halblinge haben ein völlig anderes Naturell.
Auch sie sind nicht groß, dafür dürfen sie aber auch gerne mal einen Bauch haben. Die berühmtesten Halblinge sind zweifellos die Hobbits, die jedoch sehr selten freiwillig auf Abenteuer gehen (da ist eine gute Hintergrundgeschichte nötig!).
Ihre Stärken liegen, seltsamerweise, im Essen und Anschleichen. Hobbits sind absolut lautlos und echte Könner in allem, was mit Essen zu tun hat, vorausgesetzt es erfordert keine allzu große Anstrengung.
Es gibt viele weitere Gruppen, die zu den Halblingen gezählt werden, die bekannteste sind die Kender.
Kender sind äußerst nervenaufreibende Geschöpfe. Auch sie sind klein, allerdings sehr agil und geschickt. Ihre unersättliche Neugier wird nur von zwei Dingen übertroffen: ihrer Furchtlosigkeit und ihrer Respektlosigkeit vor anderer Leute Eigentum. Furchtlosigkeit ist hier nicht mit Tapferkeit gleich zu setzen, sondern wörtlich zu nehmen. Ein Kender kann nicht tapfer sein, da er nicht weiß, was Angst ist. Sollte ein Kender in deiner Gruppe sich plötzlich unbehaglich fühlen…LAUF!!
Halblinge sind gut zu spielen, wenn man ein von Natur aus fröhliches, offenes Wesen hat. Gerade die Rolle der Kender ist jedoch sehr anspruchsvoll. Es gilt die feine Grenze zwischen amüsant und endlos nervig nicht zu überschreiten. Sicher, Kender nerven, tun sie das aber so sehr, dass keiner mehr Lust hat mit einem zu spielen hat man den Zweck der Rolle verfehlt. Hier ist dann weniger mehr.

Wie gesagt, bei allem im LARP oder auch Rollenspiel sind deiner Fantasie natürlich keine Grenzen gesetzt. Du kannst ohne Probleme eigene Rassen erfinden oder bestehende abändern oder ergänzen.
Das Wichtigste ist hier deine Darstellung. Solange du alle anderen von dem, was du darstellen willst überzeugen kannst, ist alles erlaubt.
Wenn alles in brüllendes Gelächter ausbricht, wenn du verkündest: „Ich bin ein dämonischer Vampirzwerg, dessen Großmutter väterlicherseits eine Meerjungfrau war.“ weißt du, dass du etwas verkehrt machst und solltest dein Charakterkonzept noch mal überdenken.

Klasse

Auch das hier ist nur die Standardauswahl.
Die vier großen „Berufsgruppen“, oder Klassen, sind folgende

1. Abenteurer (Universalcharakter)
2. Kämpfer
3. Magier
4. Priester

Unter Kämpfer fallen alle, die ihre Waffe nicht nur zur Verteidigung gegen Räuber nutzen, sondern ihr Leben danach ausrichten. Dazu zählen Ritter ebenso wie Paladine, Soldaten oder Söldner.

Magier sind Gelehrte, die ihr Leben der Erforschung und Ausübung der magischen Künste widmen. In diese Gruppe fallen alle, die sich bewusst und sozusagen auf wissenschaftlicher Ebene mit Magie auseinander setzen. So ist nicht jeder Elf, der ja von Natur aus  verschiedene Zauber anwenden kann, ein Magier.
Aus welcher Quelle die verwendete Magie bezogen wird, ob aus der Natur, von den Sternen, aus Runen oder sonst woher, kann jeder für sich selbst bestimmen. Ausschlaggebend ist die Schlüssigkeit des Konzeptes. Schließlich ist Magie ja eine Wissenschaft und muss daher in sich logischen Regeln folgen. So leuchtet es ein, wenn ein Zauberer, dessen Magie von der Sonne abhängt, in der Nacht nichts tun kann, dafür aber mittags, wenn die Sonne am höchsten steht, sehr mächtig ist.

Priester oder auch Kleriker vertreten beruflich eine bestimmte Religion. Sie können ähnlich den Magiern übernatürliche Dinge geschehen lassen. Dazu nutzen sie jedoch Gebete und heilige Rituale. Die Quelle ihrer Macht liegt bei den von ihnen verehrten Göttern, ist also von deren Gnade abhängig. Es kann einem Priester also durchaus passieren, dass er nicht erhört wird. Das kommt in der Regel aber nur dann vor, wenn er in besonderem Ausmaße gegen die Regeln seiner Religion verstoßen hat.

Wenn Du Dich nun also entschieden hast, welche Rasse und welcher Beruf am Besten zu Dir passen, musst Du dieses Wesen noch mit einer Geschichte ausstatten.
Diese Charaktergeschichte hat großen Einfluss auf Dein späteres Spiel. Mach sie also nicht zu kompliziert. Du solltest sie Dir ohne Hilfsmittel merken können und sicher sein, dass Du alle Details ohne Fehler wiederholen kannst (Es sei denn, Du möchtest einen notorischen Lügner spielen, der jedes Mal was anderes erzählt.).
Keiner wird Dich auf einer Veranstaltung nach Deiner gesamten Geschichte fragen. Es kann seine Zeit dauern, bis Du nach einem besonders schönen Detail, an dem Du Wochen überlegt hast, gefragt wirst oder es zur Anwendung bringen kannst. Aber spätestens dann wirst Du froh sein, Dir die Gedanken gemacht zu haben.
Die meisten Orgas schaffen es zeitlich nicht, auf alle Charaktergeschichten einzugehen. Tun sie es aber doch, hast Du plötzlich einen Plot für Dich ganz alleine. Solltest Du also in Deine Geschichte Dinge schreiben wie: „Ich wünschte, ich wüsste, wie es im Achten Kreis der Hölle aussieht“, dann herzlichen Glückwunsch, denn die Spielleitung wird Dir diesen Wunsch sicher gerne erfüllen.
Für den ersten Charakter empfiehlt es sich, erst einmal einen Steckbrief zu schreiben. Den meisten Veranstaltern reicht das auch völlig. Sie sind in der Regel dankbar, wenn sie keine 30 Seiten Geschichten lesen müssen.

Auf Deinem Steckbrief sollten folgende Dinge stehen:
–    Name
Mach es nicht zu kompliziert. Das klingt toll, wenn man sich vorstellt, aber kein Schwein merkt sich das!

–    Herkunftsort
Generell reichen Land, Grafschaft, Dorf. Die meisten bespielten Länder haben Karten. Such Dir was aus!

–    Familie
Lebende intakte Familien sind ungewöhnlich. Meist heißt es: Eltern/Geschwister wurden von XX getötet. Das ist aber nicht zwingend!

–    Ziel/Aufgabe
Unterscheide zwischen langfristig und kurzfristig. Dein langfristiges Ziel sollte so gewählt sein, dass Du es nicht sofort und ohne Schwierigkeiten erreichen kannst, denn dann müsstest Du ja wieder nach Hause und das wollen wir ja gerade nicht. Du sollst ja auf Abenteuer gehen. Sei ehrgeizig! Magier werden? Warum nicht gleich Erzobersuprimmagus?
Kurzfristige Ziele beziehen sich auf die Veranstaltung, die Du besuchen willst. Warum bist Du gerade da?

–    Ängste
Jeder fürchtet etwas. Das kann konkret oder abstrakt sein. Z.B. Ich habe Angst vor der Prügel meines Vaters, wenn er merkt, dass ich sein Schwert habe (-> passt deshalb besonders gut darauf auf). Oder Ich habe Angst vor Magie (-> meidet Elfen/greift sie an, hasst Magier).

–    Feinde
Jeder kann sich Feinde machen. Das kann in der Geschichte begründet liegen (wird vom gehörnten Dämon X verfolgt, weil er den Toaster gestohlen hat) oder Folge eine Begegnung auf einer Veranstaltung sein (hat das Artefakt y zerstört und die Hexe Z verärgert). Solche Feinde sind prima Futter für jede Spielleitung.

–    Lieblingsfeinde
Nicht zu verwechseln mit Feinde! Nicht jeder hat Lieblingsfeinde, aber manche hassen z.B. Orks oder Drow oder Kender so sehr, dass sie sie nicht ertragen und angreifen, sobald sie sie sehen.

Denkt bitte daran, dass Du Dein Alter nur mit großem Aufwand ändern kannst. Deinem Aussehen sind durch die Schminke und Dein Können Grenzen gesetzt.
Es ist verständlich, dass Jugendliche gerne junge Erwachsene spielen würden, aber meistens geht das nach hinten los. Ein 15jähriger wird wesentlich ernster genommen, wenn er zu seinem Alter steht (und dennoch soviel drauf hat, wie die alten Säcke), als wenn er versucht, älter zu erscheinen, als er tatsächlich ist. Das gilt natürlich auch für die Mädels.
Denkt daran, wenn ihr minderjährig seid, braucht ihr einen verdammt guten Grund, um alleine unterwegs zu sein. Genauso, wenn nicht noch mehr, ist es lächerlich, jünger sein zu wollen. Auch das geht nur in den Grenzen, die die Maske und Dein Körper euch setzen.


Eingetragen von Eva am 22. Februar 2012


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